Worauf Sie bei der (Vor-)Auswahl eines neuen ERP-Anbieters achten sollten

von Joachim Graf

13.10.2023 Wer sein ERP-System ersetzen will, muss viel Zeit mitbringen. Schließlich muss im Versandhandelsunternehmen so gut wie jeder Prozess angefasst werden.

 (Bild: Gerd Altmann, Pixabay)
Bild: Gerd Altmann, Pixabay
Wer im Internet nach einer ERP-Software für ein Omnichannel- oder E-Commerce-Unternehmen sucht, der stößt auf Übersichten, die 800 und mehr Anbieter listen. Völlig unmöglich also, sich auch nur einen Bruchteil davon näher anzuschauen. Um diese Fülle von Anbieterunternehmen und Lösungen auf eine überschaubare Menge einzudampfen, sollte man die folgenden Schritte gehen:

1. Die eigenen Anforderungen definieren
Zunächst müssen Sie klären, was das neue ERP-System können muss. Genauer gesagt: Weil Sie ja in der Regel ein bestehendes ERP-System oder eine Warenwirtschaftslösung ersetzen werden wollen, müssen Sie die Frage beantworten: "Was sind die Stärken und Schwächen der bisher eingesetzten Lösung?" Ihre Mitarbeitenden und Sie müssen zusammenstellen, wo aktuell Prozesslücken existieren - oder welche Funktionen Sie bei der Erweiterung Ihres Unternehmens vielleicht in der Zukunft benötigen, die Ihre aktuelle ERP-Lösung gegenwärtig (noch?) nicht zur Verfügung stellen kann.

Die nächste Fragestellung ist: Welche Arbeitsabläufe werden von Ihrem ERP aktuell unterstützt und sollen auch künftig unterstützt werden? Für die Klärung der eigenen Anforderungen müssen Sie alle Prozesse im Unternehmen sichtbarmachen. Zur systematischen Analyse und Auswertung Ihrer Geschäftsprozesse können Sie beispielsweise Process-Mining-Ansätze nutzen. Die Klärung der Anforderungen ist der wichtigste Schritt bei der ERP-Vorauswahl und benötigt ausreichend Zeit. Berücksichtigen Sie die Dauer dieser Anforderungsdefinition daher in Ihren Projektplanungen.

2. Anbieter sichten und einschätzen
Basierend auf Ihren so definierten Anforderungen, können Sie potenzielle Anbieter sichten und das Anbieterfeld auf diejenigen reduzieren, von denen Sie Angebote einholen wollen. Zum Abgleich sollten Sie einen individuellen Fragebogen entwickeln. In den Fragebogenkatalog können Sie Fragen aufnehmen wie:
  • Besitzt der ERP-Anbieter nachweisbare Branchen-erfahrung im E-Commerce, im Omnichannel-Handel, im Versandhandel?
  • Stellt das ERP-System die Musthave-Funktionen zur Verfügung, die Sie definiert haben?
  • Bietet das ERP Integrationsmöglichkeiten in Ihrer IT-Infrastruktur? On-Premise / SaaS / APIs ...?
  • Ist das System dort zukunftsfähig, wo es für Sie nötig ist? (Künstliche Intelligenz? 1:1-Produkte? Digitaler
    Zwilling? Industrie 4.0?)
3. Eingrenzung der Anbieter
In der Regel passt bei der Sichtung der ERP-Anbieter kein Angebot perfekt. Stattdessen sind mehrere Lösungen geeignet und bieten verschiedene Vor- und Nachteile. Im nächsten Schritt der ERPAnbieterauswahl ist es daher hilfreich, die Optionen einzugrenzen. Nehmen Sie zwei bis drei ERPs in den engeren Vergleich, die Ihre Anforderungen am besten abdecken. Nachfolgend können Sie eine vertiefte Recherche anstellen und Feedback von Referenzen einholen.

4. ReferenzkundInnen kontaktieren
Seriöse ERP-Anbieter nennen Ihnen ReferenzkundInnen aus der E-Commerceund Versandhandelsbranche. Nutzen Sie deren Erfahrungen, um die Eignung des ERPs zu evaluieren. Folgende Punkte sollten Sie unter anderem abfragen:

  • Wie ist die Erfahrung mit der Lösung?
  • Hat der Anbieter beispielsweise bei der Integration geholfen?
  • Wie nutzerfreundlich ist das ERP-System?
  • Wie stabil läuft es?
  • Gibt es Probleme?
  • Wurden gewisse (positive wie negative) Dinge erst bei der Nutzung deutlich?
5. Vertragsverhandlungen führen und Auswahl treffen
Basierend auf den Rückmeldungen der ReferenzkundInnen können Sie eine Auswahl treffen. Nehmen Sie einen abschließenden Abgleich mit Ihren Anforderungen vor. Bei den vertraglichen Rahmenbedingungen sollten Sie sicherstellen, dass Ihre Anforderungen in Pflichtenheft und Vertrag festgehalten werden. Sie sollten immer im Hinterkopf behalten, dass gerade bei der ERP-Auswahl die universumweite Regel gilt: "Es kostet alles mehr und dauert länger, als man denkt." Erstens sind mehr Schritte zu berücksichtigen, als man zunächst erwartet. Zweitens muss die Vorarbeit bei der Auswahl sorgfältig durchgeführt werden. So sparen Sie Zeit und Geld, weil später keine Anpassungen vorgenommen werden müssen.
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Wer sein ERP-System ersetzen will, muss viel Zeit mitbringen. Schließlich muss im Unternehmen so gut wie jeder Prozess angefasst werden. Unser Special zeigt, worauf Sie bei der (Vor-)Auswahl eines neuen ERP-Anbieters achten sollten, wie Sie Ihr Unternehmen vor Silos schützen, wie Sie eine erfolgversprechende Datenstrategie aufbauen und was die ERP-Trends der Zukunft werden.

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 (Bild: Hugo Hercer, Pixabay)
Bild: Hugo Hercer, Pixabay
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